Hannah Goldstein

Multidisziplinäre Künstlerin, Berlin 

Vorher Weiter

Ich bin auch so ein typisches jüdisches Kind, das mit der Angst vor Deutschen aufgewachsen ist. Ich habe die Sprache gehasst. Wenn ich deutsch auf der Straße gehört habe, hatte ich sofort einen Knoten im Bauch und dachte „they’re coming to get me“. Und ich hatte auch diese wiederkehrenden Träume. Ich warte auf die U-Bahn und es kommt ein Nazi, der sagt: „Wir sammeln Unterschriften, um Auschwitz wieder aufzumachen.“ Und alle auf dem Bahnsteig unterschreiben. Anschließend fragt er mich und ich sage: „Nein, ich will nicht unterschreiben, ich bin Jüdin.“ Und dann schmeißt er mich vor die U-Bahn.

Hannah Goldstein
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Die Menora gab mir mein Vater als ich begann, mich für meine jüdische Identität zu interessieren. Ich liebe sie, da sie so anders ist. Sie ist auch ein schönes Symbol für unsere Beziehung zum Jüdischsein, da es mehr eine persönliche und künstlerische Verbindung zu einer Gruppe und einem Gefühl zeigt als zu einem Glauben.

Als Teenager habe ich mich weder als Schwedin noch als Amerikanerin gefühlt. Und mit zwölf Jahren habe ich mich deshalb entschlossen, meine Identität als Jüdin zu finden. Eine Freundin aus der Schule hat dann mit mir die Feiertage gefeiert, mich nach Hause eingeladen oder wir sind in die Synagoge gegangen. Das haben wir zu Hause dann auch gemacht und mein Vater meinte: „Sure now you’re Jew, but if you wanna be a Buddhist tomorrow, you can be a Buddhist tomorrow.“ Und so war ich dann plötzlich Jüdin und hatte eine Identität. Das hat mich beruhigt und mir ein Zugehörigkeitgefühl gegeben, das ich zu den USA oder zu Schweden nie hatte.

Ich habe die jüdische Welt schon als Kind sehr gut kennen gelernt, da wir jeden Sommer bei der Familie meines Vaters in New York waren. Wir sind die typischen "Bagels and Lox New York Jews“ aus Brooklyn. Das waren Zahnärzte, Juweliere und Anwälte. Wir glauben nicht an Gott aber fühlen uns erst als Juden und dann als Amerikaner oder Schweden.

Mein Vater war die jüdische Mama und hat viel mit jewish guilt gearbeitet. Wenn er im Winter meinte, ich solle einen Pullover anziehen und ich nicht wollte, sagte er: „If you don‘t wanna put on a sweater in winter – fine, but if you get sick, see if I care.“

Eigentlich hießen wir früher Shapiro. Aber als die Familie Anfang des 19.Jahrhunderts in Vilnius auf dem Schwarzmarkt Pässe für die USA kaufte, stand in den Pässen Goldstein als Name. Besonders kreativ waren die Schwarzmarkthändler allerdings nicht. Sie haben einfach in alle Pässe den Namen Goldstein eingetragen. Deshalb gibt es in den USA sogar Autosticker mit „Another Goldstein“.

Nach den Anschlägen in Halle habe ich auch ein wenig Angst gehabt. Und als es hieß, Juden in Deutschland haben Angst, ihre Kippa zu tragen, habe ich aus Protest meine Kette mit Davidstern angezogen. Und meine deutschen Freunde meinten dann, ich solle aufpassen.

Meine Kinder haben super jüdische Namen, Ezra und Ben Goldstein. Und manchmal habe ich Angst, dass das alles nochmal passiert, dass sie auf eine Liste kommen und sich nicht verstecken können. 

Hannah Goldstein a multidisciplinary artist working in photography, collage and video. Much of her work anchors itself in feminist thought and wishes to challenge societies normative ways of thinking. Along these lines she works on numerous projects at once, which span the topics of female histories to addressing the gender and race unbalance in art world. In Goldstein’s other photographic work she moves freely in the realms of self-documentary, narrative portraits and dealing with archives. Goldstein has a B.A in photography and human rights from Bard College, New York. She spent one year in residency at the Royal Collage of Art in Stockholm, as well as doing a one-year Master class at the Ostkreuz Schule für Fotografie, Berlin. Her work has been exhibited in Germany as well as internationally. She is part of the feminist art collective Die bösen Mösen with Thérèse Kristiansson. Goldstein is also the co-founder of Kaetha, a curatorial collaboration with Katja Haustein. Hannah Goldstein is represented by Jacob Hoerner Galleries Melbourne, Australia. Lives and works in Berlin, Germany.