Alon Meyer

Diplomkaufmann, Vorsitzender MAKKABI Deutschland e. V., Frankfurt

Vorher Weiter

Meine jüdische Identität ist sehr fest und hat sich in der Tat durch den Einfluss meiner Eltern entwickelt. Ich bin mit meinen Geschwistern sehr jüdisch aufgewachsen, nicht religiös, schon gar nicht streng religiös, aber trotzdem gläubig und traditionell.

Alon Meyer
Alon Meyer
Alon Meyer

Ich habe mich immer schon auch nach außen zum Judentum bekannt und hatte überhaupt kein Problem damit. Meine Frau ist zum Judentum übergetreten und war am Anfang sehr vorsichtig in der Öffentlichkeit. Dann kamen irgendwann die Kinder und meine Frau hat gesagt: Eigentlich müssen wir das machen, denn wenn jeder Angst hat, dann ist das doch nicht richtig. Und seitdem gilt das für die ganze Familie. Inklusive eines Beitrags bei „Checker Tobi“ über uns und das Judentum.

Unser Sohn hat mit 12 Jahren gefragt, ob er den Davidstern, den er zur Bar Mitzwa bekommen hat, tragen darf. Wir meinten dazu, wir wollen nicht unsere Angst auf dich übertragen. Aber wir bitten dich, ein bisschen vorsichtiger zu sein, vor allem, wenn du noch jung bist und dich nicht selbst verteidigen kannst. Du musst einfach wissen, dass das eine potenzielle Gefahr ist. Und wenn wir aus der Synagoge rausgehen, dann sagt mein Sohn zu mir: Papa, nimm jetzt die Kippa ab, jetzt brauchst du sie nicht mehr.

Ich war auf einer nichtjüdischen Schule, habe sehr viele nichtjüdische Freunde und es immer genossen, in beiden Welten zu leben. Denn diese Welten sind manchmal komplett unterschiedlich. Ich kenne beide Welten und ich weiß beide zu schätzen. Man fühlt sich ein Stück weit sicher in der jüdischen Welt, weil man dort weiß, man teilt gemeinsam ein Leid der Minderheit.

Wir sind in Frankfurt traditionell aufgewachsen. Zu den Feiertagen ist man in die Synagoge gegangen und hat auch zu Hause gefeiert. Wenn ich freitags mit meinen Freunden weggehen wollte, dann ja, aber erst, nachdem die Familie Schabbat gefeiert hat. Und am Samstag sind wir dann zur Eintracht gefahren.

Ich kenn mich im Beten sehr gut aus. Ich weiß, was, wo, wann und wie gebetet wird. Ich lege zwar nicht jeden Tag Tefillin, aber dennoch immer dann, wenn mir danach ist. Daher weiß ich sehr genau, wie man sie legt. Und ich kenne viele der 613 Ge- und Verbote, obwohl ich die wenigsten davon einhalte.

Bei Makkabi wollen wir Botschafter des Guten generieren. Damit meine ich Botschafter der demokratischen Werteordnung. Wir vereinen 25 Nationen und zwölf Religionen. Wir haben erkannt, dass mithilfe des Sports Menschen unterschiedlichster Kulturen, Religionen, Nationalitäten, Hautfarben, sexueller Orientierung in der Freizeit zusammen kommen können. Wir spielen zusammen Basketball, Volleyball, Tischtennis, Handball. Und alle wissen, sie spielen in einem jüdischen Verein. Das heißt, sie werden in die Haftung genommen, weil sie den Makkabistern auf dem Trikot tragen, der mit den vier Buchstaben יבכמ Makkabi so geformt ist wie ein Davidstern. 

Natürlich bekommen sie es auch mit, wenn sie als Juden beschimpft werden, und setzen sich anschließend automatisch mit diesem Thema auseinander. An Jom Kippur gibt es keinen Spielbetrieb und am Schabbat verlegen wir nach Möglichkeit unsere Spiele. Das heißt, sie werden mit Religion direkt oder indirekt konfrontiert. Und das ist genau die Intention, die wir wollen, nämlich dass die Leute sich damit beschäftigen, dass sie Fragen stellen, dass sie dadurch Vorurteile abbauen. Brücken werden gebaut, ein selbstverständliches Miteinander wird möglich.

Ich träume davon, dass wir keinen Polizeischutz vor jüdischen Einrichtungen brauchen und dass es ganz normal ist, eine Kippa zu tragen, ohne beleidigt zu werden. Erst wenn wir das erreicht haben, sind wir wirklich am Ziel.

Im Gegensatz zu Synagogen möchten wir bei Makkabi keine künstlichen Barrieren zum Schutz unserer Mitglieder aufbauen. Wir möchten keine bombensicheren Türen durchqueren müssen, keine Polizeikontrollen, nur damit man bei uns in die Halle kommen und spielen darf. Wir wollen offen sein. Und ich möchte auch nicht meine Kinder oder später meine Enkelkinder in die Schule schicken und immer wieder erklären müssen, warum da Polizei ist. Oder, dass sie es als selbstverständlich erachten, dass dort Polizei steht. Das ist nicht normal.

Die Shoah war das Schrecklichste und mit Abstand das Schlimmste, was es jemals gegeben hat. Aber auch vorher wurden Juden verfolgt. Vielleicht halten sie deshalb besonders stark zusammen. Und das heißt nicht per se, dass immer alle Juden gleich perfekte Freunde sind und sich aufeinander verlassen können. Aber das Entrée ist ein ganz anderes.

Witze machen, die Ironie, das ist den Juden zum Glück geblieben. Denn bei aller Tristesse, dem Schlimmen, was sie erlebt haben, ist das Einzige, was sie wenigstens ein bisschen aufgemuntert hat, der jüdische Witz.

Das Jüdische ist sehr familiär und verbindend, sehr freundschaftlich. Ich war letztens in Madrid in der Synagoge , wo man sich vielleicht über drei, vier Ecken kennt, wenn überhaupt. Aber man fühlt sich gleich familiär miteinander verbunden. Man hat von der ersten Sekunde an ein komplett offenes, ein sicheres Gefühl in dieser Gemeinde zu sein.

Ich sage immer auch unseren Kindern: Du wirst viele Freunde kennenlernen und hoffentlich wirst du viele Freunde behalten. Aber die aus der jüdischen Schule oder aus der Synagoge wirst du auch in 30, 40 Jahren in der Synagoge wiedertreffen. Bei den Schul- oder Fußballfreunden wirst du das nicht zwingend haben.

Egal, ob hier oder an anderen Orten, in der Diaspora ist der Bezug zum Judentum stärker. In Israel ist man Jude. Die wenigsten sind religiös oder kennen sich im Judentum aus. Es reicht den Israelis, dass sie Israelis sind.

Wir haben auch ein Standbein in Israel und das würde ich mir auch nicht nehmen lassen. In der Tat. Vorsicht ist die Mutter der Natur.

Ich bin sehr, sehr gläubig. Ich glaube, dass es einen Allmächtigen gibt, vor allem, wenn ich sehe, wie gut es unserer Familie geht. Dass ich so gesund bin, dass ich eine Familie habe, dass ich das Geld erwirtschafte, um dieses Ehrenamt bei Makkabi zu leisten. Dann sage ich, der Allmächtige muss es gut mit mir gemeint haben, um mir die Kraft zu geben, das zu machen. Ansonsten kann ich mir gar nicht vorstellen, warum gerade ich so viel Glück und viele andere so viel Pech haben.

Alon Meyer wurde 1974 in Frankfurt am Main geboren und ist verheiratet. Er ist als Diplomkaufmann im Immobilienbereich tätig. Seit 1995 ist er im Makkabi-Vorstand, seit 2007 Präsident. Zuvor war er zehn Jahre als Jugendleiter Fußball, sowie sieben Jahre als lizenzierter Fußballtrainer tätig. Er ist außerdem Präsident des Dachverbands Makkabi Deutschland, Gemeinderatsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main K.d.Ö.R. und dort Vorsitzender der Liegenschaftskommission, sowie Mitglied in mehreren Stiftungen.